Bürgerinitiative "Pro Palast"

Sprecherrat der ehemaligen Mitarbeiter des Palastes

 

Beitrag zur Anhörung der Historischen Kommission Berlin Mitte am 18. April 2001

 

Wer wir sind

Wir sind zwei Bürgerinitiativen, die hier gemeinsam auftreten.

Anliegen beider Initiativen sind sowohl Fragen nach der Perspektive des Palastes als auch Fragen nach der Neuaneignung des Schloßplatzes.

Die Bürgerinitiative “Pro Palast” ist entstanden als Antwort auf den im März 1993 gefaßten Beschluß der Kommission Bonn - Berlin zum Abriß des Palastes der Republik. Spontaner Bevölkerungsprotest, vielgestaltiger Widerstand und zunehmende Aktionen waren 1993 die eigentliche Geburtsstunde der Bürgerinitiative. Wir wollten den bedingungslosen Abriß des Palastes verhindern und nahmen unser demokratisches Recht wahr, vor allem durch außerparlamentarische Aktionen unsere Ansichten dazu zu äußern.

Die allgemeine Anerkennung der Bedeutung des Palastes der Republik als offenes Volkskulturhaus, als allgemeine Begegnungsstätte, als Ort der Kommunikation und der Entspannung ist für uns nach wie vor der Beweggrund aller unserer Überlegungen und unseres Einsatzes für den weiteren Umgang mit dem verbleibenden Rohbau des Palastes und dem Weiterbau auf dem Platz.

Der Sprecherrat der ehemaligen Mitarbeiter des Palastes der Republik entstand als Initiative von 1800 Mitarbeitern aus Verantwortungsgefühl für diese ihre kulturelle Wirkungsstätte mit dem Ziel, eine schnelle Einlösung der von der letzten Volkskammer der DDR beschlossenen Asbestsanierung und die damit verbundene Modernisierung des Hauses einzufordern.

Wesentliches Anliegen des Sprecherrates war es auch, die Öffentlichkeit zu informieren über die Hintergründe der überhasteten Schließung des Hauses. Er entwickelte einen umfangreichen Briefverkehr mit der Oberfinanzdirektion Berlin als dem beauftragten Hausherrn des Palastes, mit den demokratischen Parteien des Bundestages und den Regierenden in der Stadt und im Land.

Er wandte sich mehrfach an die Parlamente europäischer Länder und an die UNESCO mit der Bitte, den Palast als interessanten Kulturbau vor der Zerstörung zu retten und ihn unter Denkmalschutz zu stellen.

Beide Initiativen führten etwa 200 größere und kleinere Aktionen -.Sanfte Palastbelagerungen, Mahnwachen, Podiumsdiskussionen, kleine Ausstellungen u.a. am Palast selbst, auf dem Schloßplatz, im Lustgarten, auf anderen Straßen und Plätzen und in verschiedenen Räumlichkeiten der Stadt durch.

Wir standen auch immer als Gesprächspartner in Diskussionsrunden in Rundfunk und Fernsehen zur Verfügung.

Wir wurden vor allem durch alle diese außerparlamentarischen Aktionen öffentlich wirksam. In den Jahren seit 1993 sind unsere Aktivitäten in vielfältiger Weise von großen Teilen der Bevölkerung unterstützt worden, vor allem von den Menschen, die den Bau in seiner Funktion erlebt haben. Ausdruck dafür sind wesentlich die über 100 000 Unterschriften zum Erhalt des Palastes, die Unterschiedlichen staatlichen Stellen übergeben wurden (Reg. Bürgermeister von Berlin, Petitionsausschuß des Bundestages, Bundesbauministerium).

Derzeitig bringen wir uns aktiv in die Diskussion zur Nutzung und Gesamtgestaltung des Schloßplatzareals ein.

Die deutlichen Übereinstimmungen im Ziel und in den Formen von Aktivitäten beider Initiativen sind auch der Grund dafür, daß wir nicht nur heute hier gemeinsam auftreten, sondern seit Jahren bei allen Aktionen engstens zusammenarbeiten. Zur Beantwortung ihrer Fragen stehen selbstverständlich die Sprecher beider Initiativen zur Verfügung.

 

Was wollen wir?

Wir wollen, daß der Palast der Republik nach Beendigung der Asbestbeseitigung wieder hergerichtet und auf neue Weise genutzt wird, aber im Geiste des Volkshauses, der er einmal war. Und wir wollen, daß der leere Platz vor diesem Gebäude für erweiterte Funktionen öffentlicher, kultureller Kommunikation genutzt und baulich gestaltet wird.

 

Zur Zukunft des Schloßplatzareals

Wir gehen davon aus, daß die künftige Nutzung dieses Areals nicht hinter die zurück gehen sollte, die im Palast zu DDR-Zeiten bereits verwirklicht war.

Der Palast der Republik war ein multifunktionales Kulturhaus in der Tradition der

Volkshäuser mit einem vielfältigen, verwandelbaren Raumangebot und Organisationsprofilen für kulturelle Veranstaltungen - sie machten 93 % aller Veranstaltungen aus - und der ganzen Palette gastronomischer Einrichtungen. Der Veranstaltungsplan umfaßte Theater- und Musikdarbietungen, Konzerte, Revuen, Kongresse, Bälle, Bankette, Kinder- und Jugendveranstaltungen und vieles andere. Die Funktionsbereiche des Palastes waren:

der Eingangsbereich mit flexiblem Trennwandsystem, vielen Dienstleistungen, Jugendtreffs, Bar, kleiner Bühne u.a.

  • das Hauptfoyer mit Palastgalerie, gläserner Blume und großer Pflanzeninsel, geeignet für Shows, Bälle, Tanzturniere, Ausstellungen und vieles andere,
  • der große Saal als Kernstück des Baues, variabel gestaltbar mit 500 bis 5000 Plätzen als Zuschauerraum oder Ballsaal, mit 6 Schwenkparketts und modernster Bühnentechnik, 17 Dolmetscherkabinen einschließlich Anschlüssen an allen Sitzplätzen, modernster Beschallungstechnik u.a., der nach Meinung vieler Architekten und Künstler der bestausgerüstete, interessanteste Saal in Europa war
  • der Plenarsaat der Volkskammer, ebenfalls mit der entsprechenden Dolmetscheranlage, variabel nutzbar für Konferenzen, Vorträge u.ä.
  • das TIP, Theater im Palast, ein Theater der kleinen Form ohne fest installierte eigene Bühne, bis zu 250 Plätzen, bei wandelbaren Elementen für Bühne und Sitzplätze, variabel eingefügt in das Foyer im 4. und 5. Geschoß, die auch nutzbar waren als Veranstaltungsorte für kleinere Tagungen, Feiern von Betrieben und anderen Interessenten u.ä.
  • Freizeiteinrichtungen wie die Bowlingbahn (8 Bahnen), verschiedene Klubräume u.ä.
  • Insgesamt 13 gastronomische Einrichtungen mit insgesamt 1500 Plätzen, dazu saisonal 120 Terrassenplätze; dazu gehörten 3 anspruchsvolle Speiserestaurants, Eisbar, Mokkabar, rustikale Bierstube, Weinstube u. a., z.T. großzügig ausgestattet mit Gobelins, Wandreliefs aus Meißener Porzellan u.a. (siehe Anlage 1: PdR - Zahlen und Fakten)

Dieses für jeden Besucher mit Ausnahme weniger Tage im Jahr ständig von 1 0 bis 24 Uhr offene Haus mit seinen vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten war ein einmaliger Anziehungspunkt und für viele Bürger quasi die gute Stube der Stadt. Es ist sehr zu bedauern, daß so wenige Altbundesbürger und Westberliner es in voller Funktion erlebt haben, die Diskussion über den Platz und die Frage, Schloß oder Palast hätte heute sicher andere Akzente.

Wir meinen, daß alle Überlegungen über die künftige Nutzung des Areals von diesen Erfahrungen ausgehen sollten. Sicher nicht zufällig gibt es ja selbst von den Befürwortern der Schloßrekonstruktion Äußerungen, daß in dem alt-neuen Schloß alles das vorhanden sein müßte, was es einst im Palast gab.

 

Was also sollte geschehen?

Wir als Bürgerinitiativen fordern, wenn nach der Asbestbeseitigung 50 % des Wertes des Gebäudes erhalten sind, daß es dann - vor allem auch aus ökonomischer Sicht sinnvoll sein sollte, als ersten Schritt zur Neugestaltung des Platzes den Palast zu reaktivieren. Damit könnte erreicht werden, daß den Bürgern relativ schnell ein vielfältig nutzbares Kulturhaus zur Verfügung stünde. Es käme erst mal wieder Leben in die Mitte der Stadt und die weitere Bebauung des Platzes könnte ohne Zeitdruck vonstatten gehen, was auch eine günstige Streckung des Finanzeinsatzes bedeuten würde. Es ist ja schon von vielen Experten - auch von Politikern - betont worden, daß nicht ganz Berlin von einer Generation gestaltet werden muß!

Wir haben schon früher gefordert: Wir - die Bürger - wollen an diesem wichtigen Ort der Stadt Kultur erleben, wollen Feste feiern und unsere Gäste bewirten Und wir haben weiter formuliert: es ist viel Platz auf dem Platz zum Weiterbauen! Daß das geschehen muß, darüber dürfte es keinen Zweifel geben und daß sich da ein internationaler Architekturwettbewerb anbietet, wenn die Inhalte feststehen – auch darüber besteht sicher Einigkeit.

Eins muß klar sein: dieses Areal ist kein Ort staatlicher Institutionen und kein Ort für eine Kommerzialisierung. Wir meinen, daß das kulturelle und kommunikative Angebot, das im wieder ausgebauten Palast untergebracht werden könnte, sich mit folgenden Einrichtungen gut ergänzen ließe:

  • Das Haus der Kulturen der Welt könnte sich in der Mitte der Stadt zu einem lebendigen Zentrum nationaler, europäischer und außereuropäischer Kultur und Kunst entwickeln, Solange ihm ein Neubau nicht zur Verfügung steht, könnte mancher seiner Veranstaltungen auch im Palast stattfinden.
  • Eine gute Ergänzung des Angebotes auf dem Platz wären sicher auch die öffentlich zugänglichen Teile der Stadt- und Landesbibliothek: Lesesäle und ein modernes Kommunikationsangebot, die unterirdisch mit den Magazinen der Bibliothek in der Breiten Straße verbunden sein könnten, was ja wohl technisch und organisatorisch zu lösen wäre.
  • Das neuerdings ins Gespräch gebrachte Völkerkundemuseum könnte das Angebot durchaus abrunden und bereichern, wenn man eine städtebaulich verträgliche Lösung für die Unterbringung seiner Depots findet (sie müssen wohl nicht auf dem Platz sein). Es würde zugleich eine ideelle Klammer zur benachbarten Museumsinsel herstellen.

Wir meinen, daß eine solche Kombination von Einrichtungen ein interessantes städtisches Leben auf dem Platz entstehen lassen würde. Es böte dem Besucher jederzeit Möglichkeiten zum Kulturgenuß, zur Wissensaufnahme, zum Verweilen und zur Erholung. Daß eine gute Zusammenarbeit der verschiedenen Einrichtungen für alle zu Steigerungseffekten führen könnte, dürfte dabei außer Frage stehen.

Unsere Vorstellungen zum Umgang mit der anstehenden Aufgabe einer Neugestaltung des Schloßplatzareal machen wohl deutlich, daß eine Rekonstruktion des Schlosses aus unserer Sicht dafür nicht zur Debatte stehen kann. Wir teilen auch nicht die Ängste derer, die Vorbehalte gegenüber der modernen Architektur haben. Wir glauben, daß es möglich ist, die anstehende Aufgabe mit zeitgenössischer Architektur zu lösen.

Daß dieser zentrale Platz den Bürgern gehören muß und nicht dem Staat oder dem Kommerz, darin sind wir uns wohl sogar mit den Schloßbefürwortern einig, bei unterschiedlicher Ansicht über die bauliche Gestaltung. Es bleibt die Feststellung, daß Stadt und Staat meinen, nicht in der Lage zu sein, die finanziellen Mittel für solche Aufgaben bereitstellen zu können, obwohl sie eigentlich in der Pflicht wären.  Schließlich sind die Gelder für die überteuerten Regierungsbauten auch aufgebracht worden.

In letzter Zeit ist nun viel die Rede davon, daß in den reichen USA die Kultur ausschließlich über privates Sponsoring finanziert wird. Und es wird über ein zu schaffendes Stiftungsrecht diskutiert. Warum sollte es also nicht möglich sein, in Deutschland die große Industrie und andere Inhaber großer Konten anzuregen, den ja letztlich von allen Bürgern erarbeiteten Reichtum für ein solches kulturelles Zentrum einzusetzen, freilich im Interesse der Gesellschaft und aller Bürger.

Ein letzter Gedanke: Abgesehen von all diesen funktionellen und ökonomischen Problemen, vor denen wir bei der Neuaneignung des Schloßplatzareals allesamt stehen, insbesondere was den Umgang mit dem Palast betrifft, sollten wir uns doch bewußt werden, daß dieses Gebäude den Wert eines Geschichtsdenkmals hat und für den Prozeß der deutschen Vereinigung von großer Bedeutung ist, denn hier am Ort früherer Herrschaft waren die Bürger selbst angekommen. In dieser Bestimmung sehen wir auch im vereinten Deutschland die Zukunft dieses Ortes.